Im Leben kommt ja meistens eins zum anderen … Wie unser Fahrer von jetzt auf nachher zu einem familiären Notfall musste und was dann geschah …

Nach zwei Wochen in der neuen Heimat, hatten wir endlich unser eigenes Auto und zudem noch unseren persönlichen Fahrer. Unser Fahrer – das hört sich extrem elitär an – allerdings blieb uns keine wirkliche Alternative. Denn um in China Auto zu fahren, braucht man einen chinesischen Führerschein. Den wollten wir auf alle Fälle irgendwann machen, allerdings war jetzt erste Priorität unser Umzug ins Haus und damit verbunden gab es noch so einiges zu erledigen.

Unser Fahrer hieß mit Familienname Li, wie hundert Millionen andere Chinesen. Von den 700 Hauptnamen, verteilen sich 20 Namen auf den Großteil der 1.3 Milliarden Menschen in China. Li gehört zu den 20 häufigsten Namen. Uns kam der Name ausgesprochen entgegen, da er für uns Chinaanfänger leicht zu merken und auszusprechen war.

Li war Anfang zwanzig und die Kinder fanden ihn äußerst cool. Er machte gerne Quatsch mit ihnen und vor allem lief während der Fahrt immer hippe Musik. Zu uns war er sehr freundlich, fuhr ordentlich und fand meist recht schnell unsere Zielorte, also entsprach erst mal dem was man von ihm erwartete. Einen Fahrer zu haben setzte mich persönlich anfangs extrem unter Stress. Beim Einkaufen hetzte ich im Turbogang durch die Geschäfte, um ihn ja nicht zu lange draußen warten zu lassen. Besuchte ich jemand privat, war ich die ganze Zeit wie unter Strom und total abwesend, da ich in Gedanken immer beim Fahrer war und mir Sorgen machte, ob es ihm zu lang dauerte oder etwa zu langweilig wurde. Total verrückt da es ja sein Job ist, aber ich war es nun mal nicht gewohnt, dass jemand stundenlang vor der Tür auf mich wartet. Doch daran, wie an so vieles andere, gewöhnte ich mich irgendwann.

MIT FAHRER UNTERWEGS DURCH PEKING

Familiärer Notfall

Bereits nach 3 Wochen musste unser Fahrer ganz plötzlich zu einem familiären Notfall. Ein familiärer Notfall hat ganz klar Vorrang und dass er umgehend für mehrere Tage weg musste, dafür hatten wir natürlich vollstes Verständnis. Wir fühlten mit ihm und hofften, dass sich der schwerkranke Großvater schnell wieder erholte. Als sich die Krankheits- und Sterbefälle innerhalb kurzer Zeit häuften, waren wir erst voll des Mitleids über das schwere Schicksal seiner Familie und kurz danach um einiges schlauer. Wir erzählten Bekannten, die schon viele Jahre in Peking lebten, vom schweren Schicksal unseres Fahrers, sie lachten und meinten: „Hat euch denn noch niemand gesagt, dass das die chinesische Art ist Urlaub einzureichen!?“

Damit beide Seiten ihr Gesicht wahren konnten, wählten wir die diplomatisch chinesische Weise ihm mitzuteilen, dass wir nun den Hintergrund der schweren Schicksalsschläge kannten und so nicht mehr akzeptieren. Wir bekundeten Li unser größtes Verständnis und Mitgefühl und sagten ihm, dass wir bei der Vielzahl an Schicksalsschlägen in seiner Familie natürlich verstehen könnten, dass er jetzt voll und ganz seiner Familie zur Verfügung stehen wolle und wir ihn nicht mit der Verpflichtung, bei uns als Fahrer zu arbeiten, an uns zu binden wollten und ihn somit davon abzuhalten, für seine Familie da zu sein … Mehr Infos benötigte er nicht. Wir verstanden uns in der Gesicht-wahren-Sprache ganz ausgezeichnet und er versicherte uns, dass seine Familie wohlauf und in bester Verfassung wäre, auch in Zukunft! Und urplötzlich gesundete seine gesamte Verwandtschaft und deren Schicksal und Wohlbefinden stand ab diesem Moment wieder unter einem glücklichen Stern.

Alle Muttersinne auf Alarmmodus

Bis es soweit war, gab es bei ihm allerdings noch diverse Verwandtschaftsnotfälle. Als ihn sein erster familiärer Schicksalsschlag ereilte und er innerhalb weniger Stunden nachhause in sein Heimatdorf eilen musste, stellte uns die Agentur für die Zeit seiner Abwesenheit einen Ersatzfahrer zur Verfügung. Meist kommt ja eins zum andern, so auch dieses Mal. Die Kleine hatte sich den Magen verdorben oder einfach nur einen Magen-Darm-Virus. Da sie allerdings ständig am Brechen war, musste ich mit ihr Zuhause bleiben. Wie erwähnt kam der familiäre Notfall von Li äußerst kurzfristig. Nachdem er morgens meinen Mann zur Firma und die Große in den Kindergarten gefahren hatte, bekam ich von der Agentur einen Anruf mit der entsprechenden Info, dass er spontan weg musste und bereits ein neuer Fahrer zur Verfügung steht. Problem war nur, dass unsere Tochter nun von einem komplett Fremden vom Kindergarten abgeholt würde. Als ich die Leiterin des Kindergartens informierte, schlug sie vor, sie bei der Heimfahrt zu begleiten. Als ich mit ihr telefonierte sagte sie jedoch, ganz die Große, obwohl erst fünf: Nein, Mama! Ich bin doch schon groß, das kann ich ganz allein!“

 

ALLEIN AUF PEKINGS STRASSEN

Etwas nervös war ich trotz allem. Als Mutter hat man ja einen siebten Sinn und meine sieben Sinne standen komplett im Alarmmodus. Immer wieder schaute ich zur Uhr. Die Zeit zog sich endlos wie Kaugummi. Endlich klingelte es und ich sprintete erleichtert zur Tür. Als ich öffnete, stürzte die Große tränenüberströmt direkt in meine Arme und heulte wie ein Schlosshund. Vom Fahrer war weit und breit nichts zu sehen. Ich versuchte aus ihr rauszubringen was los war. Doch bei all dem Geschluchze und dem Tränenfluss war das komplett unmöglich. Wie um alles in der Welt kam das Kind allein hier in den 4. Stock und zum Appartement? Kurze Zeit später kam ein knallrot angelaufener und maximal schnaufender Chinese um die Ecke gerannt und versuchte mir, in einer Mischung aus Chinesisch und Englisch, etwas mitzuteilen.

Flucht vor dem Entführer

Wie sich später – aufgrund des Berichts der Großen – herausstellte, hatte sie schon bald ihr ich-bin-groß-Mut verlassen und bereits beim Einsteigen ins Auto hatte sie so richtig Bammel. Mit dem Schließen der Autotüren, wurden gleichzeitig sämtliche Alptraumphantasien aktiviert und sie war sich sicher, dass sie nun entführt wird.

Aus Panik kritzelte sie die komplette Armlehne mit Kuli voll, was uns bis zur Abgabe des Autos als Erinnerung an das Erlebnis blieb. Während der ganzen Fahrt und währenddessen sie die Armlehne des Autos mit Kuli dekorierte, arbeite ihr Gehirn auf Hochtouren und sie überlegte, wie sie am besten flüchten könnte. Bis zum Schluss hatte sie nicht wirklich einen Plan, aber sie wusste sie war zwar klein, dafür aber auch extrem schnell und just in dem Moment als das Auto am Appartement hielt, flüchtete sie aus dem Auto und rannte wie ein geölter Blitz davon. Der etwas korpulentere und vor allem komplett überrumpelte Fahrer nahm –  im Rahmen seines Zustands und Umfangs – die Verfolgung auf.

Gottlob blieb dieses Ereignis für unsere Tochter nicht als traumatisch zurück. Im Gegenteil, wenn wir heute drüber sprechen, kringeln wir uns immer noch über den entsetzten Ausdruck des Fahrers. Ob bei ihm ein Trauma blieb wissen wir jedoch nicht, da nach wenigen Tagen Li von seinem familiären Kurzurlaub zurückkam.

Und so geht es weiter …

War es doch ein Fehler gewesen mit so kleinen Kindern ins Ausland zu gehen? Der Kleinen geht es nicht gut und sie muss mit ungeklärter Krankheitsursache im Krankenhaus bleiben. Ist dies nun das Ende unseres Auslandabenteuers …

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