Endlich ins neue Zuhause und raus aus dem Krankenhaus – zumindest theoretisch. Leider gibt es für uns noch einige Hürden zu überwinden …

Die genaue Krankheitsursache bei der Kleinen war noch immer unklar. Wichtig war jetzt nur, dass es ihr besser ging und wir endlich in unser neues Heim fahren konnten. Nachdem die Ärzte grünes Licht gegeben hatten, dass sie das Krankenhaus verlassen darf, packten wir so schnell wie möglich alles zusammen. Auschecken mussten wir am selben Schalter, an dem wir uns angemeldet hatten. Das kannten wir ja schon, also kein Problem. Dachten wir.

Es war ordentlich viel los, entweder waren viele Menschen ganz schnell und gleichzeitig gesundet oder das Krankenhaus nahm Patienten lieber in Empfang, als sie gehen zu lassen. Was generell absolut zu begrüßen war, da die Lage beim Kommen meist misslicher ist als beim Gehen. Das Sofa auf dem wir warteten war zwar gemütlich, doch nachdem eine halbe Stunde verstrichen war, begann ich dann doch unruhig hin und her zu rutschen. Meine Geduld war durch die letzten Tage wirklich maximal strapaziert und ich hatte äußerste Mühe noch länger sitzen zu bleiben. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich erörterte was sich am Schalter so tat und warum wir tatsächlich so lange warten mussten.

Mama können wir bald gehen!?

Das Krankenhaus war gleichzeitig eine Art Ärztehaus, man wurde also nicht nur stationär behandelt, sondern konnte auch zur Sprechstunden vorbeikommen. Bis jeder Patient seine Rechnung bekam und bezahlt hatte, das dauerte. Zudem war der Schalter gleichzeitig eine Apotheke. Einer nach dem anderen wurde in Seelenruhe abgewickelt. Die Kleine war immer noch sehr geschwächt und sie jammerte immer wieder: „Mama können wir bald gehen!?“  Was meine Nervosität und Unruhe nicht gerade minimierte. Mein Mann lernte mit der Großen die Bildtafeln der Ärzte auswendig. Das Gute, in Zukunft musste ich nur die Große befragen, welcher Arzt für welchen Bereich zuständig und was sein Spezialgebiet ist, welche Nationalität er hat und wie er aussieht. Eine weitere Viertelstunde verstrich und langsam kroch unter meinem Erschöpftsein die Wut vor. Gerade als ich aufspringen wollte um meinen Ärger über die lange Wartezeit loszuwerden, wurden wir tatsächlich zum Bezahlen gerufen. Na endlich! Die Rechnung wurde ausgestellt, mein Mann reichte der Dame am Schalter die Kreditkarte. Nur noch wenige Minuten und wir konnten uns auf den Heimweg machen. Die Dame vom Schalter runzelte die Stirn und meinte dann streng: „Your creditcard is out of funds. You have to recharge it or you have to bring another credit card.“  Wie? Kein Guthaben?

Kein Problem, wir hatten ja noch eine zweite Karte. Mein Mann reichte ihr die andere Karte und nach wenigen Minuten … genau dasselbe, nur der Blick der Schalterdame hatte von streng auf kritisch gewechselt und die Falten auf ihrer Stirn gruben sich tief ein. Ich fühlte mich unmittelbar wie eine Art Zechpreller. Mein Mann und ich blickten uns ratlos an. Das war doch nicht möglich! Nach dem ersten Schreck sagte ich: „So, this is not possible, but we’ll check this and we’ll come back later. Please send the invoice to this address.“

Bevor ich die Adresse aufschreiben konnte schüttelte sie heftig den Kopf, erwiderte nun ihrerseits: „Sorry, this is not possible.“ und ergänzte „You have to pay now! You only can leave, when the bill is paid.“  Ich war komplett fassungslos, das war doch nicht möglich!

Campen auf dem Besuchersofa

Die Kleine hing inzwischen wie ein kleines Häufchen Elend an meinem Arm und wimmerte nur noch. Mein Frust, die Ängste der letzten Tage und die Erschöpfung mobilisierten Kräfte … Meine Stimme war ruhig, sehr ruhig … Vermutlich kannte sie dieses Stadium von anderen Patienten, denn als ich zu reden begann, richtete sie sich ganz gerade auf und streckte ihren Hals leicht nach vorne. Wort für Wort erläuterte ich ihr, dass die Kleine die letzten Tage sehr krank gewesen war und jetzt dringend nach Hause müsse, wir würden eine Visitenkarte, den Ausweis oder was auch immer noch als Pfand dalassen und am nächsten Tag wiederkommen. Sie nickte freundlich und sagte: „Sorry, this is not possible!“

Mein Mann versuchte auch noch sein Glück, doch keine Chance! Wir setzten uns erst mal zurück auf die Wartebank und beratschlagten wie wir nun weiter vorgehen würden. Mein Mann wollte erst mal bei der Kreditkarten-Hotline klären was da los war. Unverschämt! Zwei Karten die nicht funktionierten. So etwas ging ja gar nicht. Er telefonierte einige Zeit, lief dabei im Eingangsbereich auf und ab, und fuchtelte und diskutierte. Schließlich kam er mit einem wenig zuversichtlichen Gesicht zurück und berichtete. Eine der beiden Kreditkarten war neu und es war versehentlich ein falsches, viel zu niedriges Grundlimit festgelegt worden, das hatten wir natürlich innerhalb kürzester Zeit verbraucht. Dieses Limit konnten man nicht einfach so schnell hochsetzen, es galt erst einige Formalitäten zu erledigen und das würde mindestens bis zum nächsten Tag dauern. Die zweite Karte hatten wir großzügig mit unseren Möbelkäufen belastet ( Nestbau ) und  schlichtweg das Limit ausgereizt, was prinzipiell, mit der zweiten Karte als Ersatz, kein Problem gewesen wäre. Entsetzt blickten wir uns an. Was nun? Bargeld konnten wir keins beschaffen, da wir noch nicht im Besitz einer chinesischen Bankkarte waren. Wir grübelten und überlegten, bis meinem Mann einfiel einen Kollegen anzurufen und zu fragen, ob er uns Geld lieh. Wiieee peinlich! Einen fast unbekannten Kollegen um Geld anpumpen fand ich äußerst peinlich. Aufgrund fehlender Option blieb uns nichts anderes übrig, außer wir campten auf dem Besuchersofa, bis unsere Kreditkarte wieder aufgeladen war.

Während unserer Zeit in China lernten wir, außer vielem Interkulturellem, hat man keine langjährigen Freunde, Verwandte oder ein über die Jahre gewachsenes soziales Umfeld aus Freunden, Nachbarn und Kollegen, so muss man über seinen Schatten springen und immer wieder, fast komplett fremde Menschen um Hilfe bitten. Um Hilfe zu bitten und diese anzunehmen finde ich generell nicht wirklich leicht, doch dies bei Fremden oder wenig vertrauten Menschen zu tun, kostet extrem Überwindung. Aber wie bei den meisten schwierigen Dingen im Leben, hat auch dies seine positive Seite, es hilf sich zu öffnen. Man rückt zwangsweise näher zusammen und dieses Klima der gegenseitigen Bereitschaft zur Hilfe, fand ich unglaublich beglückend.

Doch nun galt es erst Mal, für meinen Mann sich zu überwinden, und den Kollegen anzurufen. Er war sofort bereit uns zu helfen. Und nachdem mein Mann mit dem Bargeld zurückkam, ging urplötzlich alles sehr schnell. Wir bezahlten und konnten nach – 4 Stunden Wartezeit!!! – endlich das Krankenhaus verlassen. Jetzt waren wir tatsächlich nur noch eine Taxifahrt von unserem neuen Zuhause entfernt.

Sitzstreik

Wir schleppten uns auf die andere Straßenseite und blickten immer wieder die Straße rauf und runter. Normalerweise warteten tagsüber unzählige Taxis am Krankenhaus und es kamen ansonsten auch ständig Taxis vorbei, aber es war nun Abend und nur noch selten ein Taxi zu sehen und die meisten waren besetzt. Inzwischen ist das alles einfacher, es gibt eine Taxi-App über die man bequem sein Taxi buchen kann, aber soweit waren wir leider noch nicht.

… und an manchen Tagen gibt es so viele Taxis!!!

Nach 5 Minuten endlich, kam ein leeres Taxi. Wir winkten, es hielt mit einer Vollbremsung neben uns und wir stiegen gesammelt ein und überreichten dem Taxifahrer das Adresskärtchen. Wir atmeten erst mal durch. Doch der Taxifahrer schüttelte immer wieder heftig den Kopf und bedeutete uns mit heftigem Fuchteln das Taxi verlassen. Eingeschüchtert von seiner Vehemenz stiegen wir alle wieder aus. Gab es Taxis die nur in eine bestimmte Richtung fahren? Oder wohnten wir in einer solch üblen Gegend, dass uns abends keiner mehr dorthin fuhr? Genau dasselbe Spiel noch einmal. Wieder stiegen wir frustriert aus. Als beim nächsten Taxi genau dasselbe war, weigerten wir uns auszusteigen. Zehn Minuten lang versuchte der Taxifahrer uns aus dem Auto zu schmeißen, doch wir waren inzwischen allesamt so erschöpft und wussten zudem auch keine Alternative nach Hause zu kommen, dass wir uns alle einige waren – dieses Taxi würden wir auf keinen Fall verlassen! Wutschnauben und lautstark mit Worten versorgend – vermutlich aus dem feinsten chinesischen Wortschatz – gab er schließlich Gas und schimpfte die komplette Fahrt bis zu unserem Haus. Doch das war uns inzwischen total egal, wir wollten nur hier weg und zu unserem neuen Heim. Und dann, endlich hielt das Taxi vor unserem neuen Zuhause. Später klärten uns Freunde auf, dass die Taxifahrer zu einer bestimmten Uhrzeit nur noch ungern oder gar nicht diese Tour raus zu unserem Compound fuhren, da sie dann Probleme hatten, einen Fahrgast zu finden der zurückfährt. Aber mit der entsprechenden Hartnäckigkeit und ein paar Yuan mehr, wird man auch zu später Stunde gefahren.Das  wussten wir zu diesem Zeitpunkt –  wie gesagt – noch nicht, aber trotzdem war es uns mittels unseres Sitzstreiks gelungen, unser Ziel zu erreichen und wir standen nun glücklich und erschöpft vor unserem neuen Heim.

Last, but not least …

Beim Rundgang durchs Haus, das gefüllt war mit vollen Kartons, Koffern, Tüten und Taschen und unzähligen Einzelteilen, gab es ansonsten noch so einige Lücken, wie z.B. im Wohnzimmer. Das Sofa war noch nicht angekommen, das würde dann irgendwann mit 4-wöchiger Verspätung, auch noch eintreffen.

Eine Panikattacke meinerseits – im Hinblick auf die Vielzahl an unausgepackten Kisten – wurde nur aufgrund meiner kompletten Erschöpfung vermieden. Wir stapften zu viert nach oben ins Elternschlafzimmer. Dort lag unsere 2×2 Meter Matratze auf dem Boden und nie war mir etwas himmlischer erschienen. Nach einem schnellen Umziehen und einer kurzen Katzenwäsche im Bad, fielen wir vier auf die Matratze. Obwohl zwei fertig aufgebaute Kinderbetten unten standen, wollten die Kinder in dieser Nacht lieber bei uns bleiben. Dort lagen wir alle zusammen, lauschten den fremden Geräuschen durch das geöffnete Fenster und ließen die letzten Tage gemeinsam nochmals Revue passieren. Immer wieder spielten wir die verschiedenen Situationen durch, kicherten und stöhnte über die unglaublichen Momente und die skurrilen Situationen und als es ruhig wurde und mein Mann und die Kinder schliefen, lag ich dort, berauscht von all den Ereignissen und fühlte mich gleichermaßen aufgeregt wie ängstlich. „Was würde uns die neue Heimat noch bringen?“ Und mir kam der Satz in den Sinn: „Wenn einer eine Reise tut …“  Und schließlich schlummerte auch ich ein und träumte von unbezahlten Rechnungen, laut lamentierenden Taxifahrern und von viiieelen unausgepackten Umzugskartons …

Und so geht es weiter …

„Wie wohnt ihr so in Peking und wie kann man sich das Leben dort vorstellen?“ Das war wohl die am häufigsten gestellte Frage in der Heimat. Endlich waren wir glücklich in unserem neuen Heim gelandet. Wie man sich das Leben im neuen Heim und den Alltag rund um unserer Wohnen vorstellen kann …

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