Chinesisches Essen kennen wir ja alle. Klar! Wer war nicht unzählige Male beim Chinesen. Wieviel das chinesische Essen das wir kennen tatsächlich mit dem Essen in China zu tun hat …

„Jetzt gibt es für euch nur noch chinesisches Essen!“ Das war der Wunschtraum oder auch die Befürchtung vieler Freunde und Bekannten als wir nach China gingen. Peking bietet jedoch, außer chinesischem Essen, eine Vielfalt an internationalen Restaurants, wie ich sie bisher noch selten gesehen habe, außer in den Metropolen dieser Welt, wozu ich Peking inzwischen auch zählen würde.

Es gibt französische, russische, spanische, italienische, mexikanische, mongolische, äthiopische, japanische, koreanische und deutsche Küche. Vegetarisch, Fastfood, Slowfood, Fusion … vermutlich würde ich mir leichter tun aufzuzählen was es nicht gibt in Peking. Also sollte man tatsächlich einmal dem chinesischen Essen überdrüssig sein, so hat man unendlich viele Optionen.

Während unserer Zeit in China, habe ich mit Freude und sehr viel Genuss alles Mögliche durchprobiert. Allerdings muss ich gestehen, dass meine kulinarische Experimentierfreude sehr eingeschränkt ist, da bei mir – leider –  von Natur aus die Ekelschwelle sehr hoch angelegt ist. Es gibt so Einiges was ich nicht probiert habe und aus diesem Grund entging mir mit Sicherheit, manch kulinarischer Genuss. Allerdings habe ich über die Jahre bei meinen vielen Reisen, nicht nur in jedem Land und bei jeder Reise versucht mich emotional zu öffnen, sondern wurde auch kulinarisch zunehmend offener und experimentierfreudiger und kann so inzwischen den Genuss einer ganzen Reihe von leckeren Streedfood-Speisen aus der ganzen Welt verbuchen. Mit das leckerste Streedfood habe ich – außer in China –  in Malaysia gegessen. Phantastisch was es da alles am Straßenstand gibt.

Streetfood in China – X’ian im muslimischen Viertel

 

Hühnerkralle und Co.

Über das Essen in China kursieren ja die gruseligsten Horrorgeschichten und ich muss gestehen, es werden hier tatsächlich die unglaublichsten Dinge verspeist. Allerdings nicht in dem Ausmaß wie angenommen. Zu Anfang wunderte ich mich wieso teilweise so exotische Dinge wie Hühnerkralle gegessen werden, aber schaut man genau, dann sind wir Deutschen kulinarisch manchmal gar nicht so weit voneinander entfernt. Eine Freundin erzählte mir z.B. dass bei ihrer Großmutter Hühnerfüße auf dem Speiseplan standen und ich weiß, dass früher auch Schweineschwanz und Schweinerüssel gegessen wurde und wenn man sieht was es bei uns noch heute so gibt: Rinderzunge, Blutwurst, Weinbergschnecken, Ochsenschwanzsuppe …

In erster Linie wird in China jedoch – ganz unspektakulär – vor allem Gemüse und Reis gegessen, und das gibt es in den leckersten Varianten. Es wäre anmaßend das Essen in China zu pauschalisieren, da es sich vom Norden gegenüber dem Süden sehr unterscheidet. Selbst in Deutschland unterscheidet sich das Essen regional, wenn auch nicht in dieser Vielfalt. Ganz häufig wird behauptet, dass Chinesen Hund essen. Das stimmt! Allerdings ist Hundefleisch eher selten und dann eher im Süden Chinas, in der kantonesischen Küche, zu finden. Natürlich gibt es mit Sicherheit auch irgendwo in Peking die Möglichkeit Hund zu essen, doch es ist eher eine Rarität und mir ist es während unserer gesamten Zeit nie auf dem Speisezettel begegnet. In China ist es jedoch normal, dass das Essen sehr frisch zubereitet wird. So wird tagtäglich das Gemüse vom nächstgelegenen Gemüsemarkt, oder auch immer mehr, aus dem nächsten Supermarkt geholt.

 

 

Fisch wird meist ganz frisch ausgesucht, entweder aus speziell dafür aufgestellten Aquarien oder er wird vorab an den Tisch gebracht, als Zeichen dass er frisch ist und um das ok zu geben, dass man mit dem Fisch zufrieden ist. Aus diesem Grund werden Tiere sehr häufig noch schnell von A nach B gebracht, damit sie frisch zubereitet werden können. Deshalb sind Tiertransporte wie dieser, alltäglich im Straßenbild.

Freilufttransport

Explodierter Fisch

Den leckersten Fisch den ich in China gegessen habe ist der „Mandarin-Fisch“. Eine Delikatesse aus Suzhou, es handelt sich um einen Karpfen in süßsaurer Soße.  Wir nannten ihn immer „explodierter Fisch“, weil er aussieht, als wäre er explodiert. Hört sich nicht lecker an, schmeckt aber äußerst lecker.

Dass er Mandarin-Fisch heißt und weshalb er eine so abenteuerliche Optik hat, habe ich erst sehr viel später erfahren. Der Ursprung liegt wohl in der Qing-Dynastie. Man hatte sich in einem Restaurant, für einen Eroberer aus der Qing-Dynastie, besonders viel Mühe gegeben und einen Fisch geschnitzt, der wie ein Eichhörnchen aussehen sollte. Dazu wurden erst die Gräten entfernt und dann das Fischfleisch kunstvoll zugeschnitten. Gottlob, habe ich erst später erfahren was es darstellen soll. Ich fand die Vorstellung eines explodierten Fischs schon nicht maximal lecker, aber ein Eichhörnchen!!!

Mandarin Fisch

Beim chinesischen Essen gibt es eigentlich nur eine große Gemeinsamkeit – bis auf den Reis und das Gemüse – beim Kochen wird auf Milchprodukte verzichtet, da die Menschen in China – wie in den meisten asiatischen Ländern – lactoseintolerant sind. Allerdings werden inzwischen, seitdem es möglich ist lactosefrei zu produzieren, in den Supermärkten zunehmend Milchprodukte angeboten.

Hintergründe der chinesischen Küche

Die chinesische Küche unterscheidet sich jedoch nicht nur vom Norden gegenüber dem Süden. In jeder der 23 Provinzen Chinas gibt es eine regionale Küche. Mit am bekanntesten ist die Sichuan-Küche, bei der vor allem viel Chili, Ingwer und eine Vielfalt an Pilzen verwendet wird. Die Schärfe der Speisen ist für unseren schwächlichen Gaumen zweitweise eine ziemliche Herausforderung, doch es gibt auch Varianten bei denen wir durchaus noch fähig sind etwas zu schmecken und was ich da auf dem Teller hatte, hat mich maßlos begeistert. Im Norden Chinas ist vor allem die sogenannte Lu-Küche mit ihren Teigwaren verbreitet. Es gibt verschiedene Arten an Nudeln, bei deren Zubereitung man noch in den alten Hutong-Vierteln (Wohnen in Peking) zeitweise zuschauen kann. Die langen Nudelplatten werden kunstvoll gefaltet, feine Nudeln abgeschnitten und dann … geschleudert …

Nudeln machen à la China, eine wahre Kunst

Als weitere, besonders beliebte Nudelspeise, gibt es noch Jiaozi. Jiaozi sind kleine Maultäschchen, von denen ich bereits berichtet hatte. (Die Ayi) und es gibt im Norden verschiedenste Arten von Pfannkuchen.

Jiaozi – Chinesische Teigtäschchen

Mein absoluter Lieblingspfannkuchen ist der Qiāncéngbǐng – der Zwiebelfladen (mit Frühlingszwiebeln), man kann ihn am Straßenstand erstehen.

Mein chinesischer Lieblingspfannkuchen – Qiāncéngbǐng – mit Frühlingszwiebeln

Die Shanghai-Küche wiederum ist eher für ihre süßsauren Speisen bekannt und in dieser Küche wird viel Fisch und Meeresfrüchte gegessen. Außer den regionalen Einflüssen, bestimmt Chinas Küche außerdem noch die geschichtlichen Hintergründe. So gibt es z.B. die Fangshan-Palastküche (Küche des ehemaligen Kaiserhauses der Qing-Dynastie). Desweiteren endete die Philosophie von Konfuzius natürlich nicht beim Essen, sondern es gibt auch konfuzianische Gerichte. Ebenso hat die Religion ihren Einfluss, es gibt rein vegetarische Gerichte und bei den islamischen Minderheiten, wird vor allem Lamm- und Schaffleisch gegessen. Ansonsten ist die beliebteste Fleischsorte Schweinefleisch, gefolgt von Rind, Hund und Ente.

Mama sind das Tiere ???

Apropos Ente – natürlich bekommt man in China die allseits bekannte Peking-Ente. Man kann sie auf verschiedenste Art zelebrieren. Am Straßenstand ist sie zu finden, in normalen Restaurants, oder es gibt sie auch in speziellen Beijing-Duck-Restaurants wie z.B. meinem Lieblingsrestaurant, das Da Dong im Dongcheng-District. Ich bin an sich kein Enten-Fan, aber die Beijing-Duck ist unglaublich lecker. Frisch zubereitet, wird sie direkt am Tisch kunstvoll in feine Scheiben geschnitten. Dazu gibt es verschiedenes fein geschnittenes Gemüse sowie Sesam-Semmelchen und dünne Fladen, die man jeweils mit Ente und Gemüse füllen kann.

Als wir das erste Mal mit den Kindern Peking-Ente essen waren, hätten wir fast am Eingang wieder kehrtmachen müssen. Betritt man das „Da Dong“, so trifft man direkt auf den Küchenbereich. Dort kann man hinter einer Glasscheibe zuschauen, wie die Pekingenten zubereitet werden und in großen Holzöfen verschwinden. Soweit so gut! Aber die aufgereihten Enten, ähnlich wie auf Kleiderbügel an Haken hängend, riefen erst mal Boykott hervor. „Mamaaaa sind das Tiiere!?“  Mein erster Impuls war die Mädchen wegzuzerren und sie anzuschwindeln. Aber da sie von jeher schwer zu täuschen waren und ich sie auch nicht anlügen wollte, gingen wir schweren Herzens gemeinsam Richtung Enten.

 

Ein weiterer Grund weshalb ich mich entschied sie nicht anzuschwindeln war, dass wir heutzutage keinen Bezug mehr dazu haben was passiert, bevor wir ein Tier auf dem Teller haben. Das Tierleben und das Schlachten findet heute hinter verschlossenen Türen statt und uns fehlt inzwischen jegliche Berührung dazu. So dachte ich: „Entweder werden sie jetzt zu Vegetariern oder sie verstehen nochmals auf einer ganz anderen Ebene, dass das was sie immer wieder mal in den Mund schieben ein Stück Tier ist und was vorab mit ihm passiert und lernen somit einen bewussten Umgang mit Fleisch.“ Mir war dieses Thema durch den Bauernhof meiner Großeltern vertraut und ich habe von jeher jedes Stück Fleisch und Wurst zu schätzen gewusst.

Nachdem ich meinem ersten Impuls sie vom Glasfenster wegzuzerren widerstanden hatte und wir dann gemeinsam der Zubereitung zuschauten, erklärte ich ihnen alles – auch das Thema Schlachten. Sie wollten überraschender Weise trotz allem die Ente probieren. Aber seitdem ist bei ihnen tatsächlich ein anderes Bewusstsein zu gegessenen Tieren vorhanden.

 

Pekingente vom Straßenstand – selbst auf die Hand kann man Pekingente jederzeit essen

In der Fremde zuhause

Beim chinesischen Essen hat natürlich auch die traditionelle chinesische Medizin ihren Einfluss und bestimmt dort vieles. Die Einteilung erfolgt in die Yin- und Yang-Zubereitung und legt fest was, wie und wann etwas gegessen wird und bei welchem Menschentyp oder bei welcher Krankheit. Sehr kalte Speisen sollten nach dieser Philosophie möglichst vermieden werden, da sie dem Körper Energie rauben. Eine Besonderheit, die auch der chinesischen Medizin zugrunde liegt, ist „Re shoi – heißes Wasser!“

Im Ausland gibt es durchaus Momente – wenn auch sehr selten – in denen man sich dort heimischer oder vertrauter fühlt als zuhause. Solch einen Moment hatte ich, als ich das erste Mal auf Re shoi traf. Schon immer habe ich lieber warmes als kaltes Wasser getrunken, was mir in Deutschland regelmäßig Verwunderung, Unverständnis und Kopfschütteln bescherte. Ich fühlte mich in China auf einmal so etwas von verstanden, auch wenn das heiße Wasser selbst für mich zu Anfang ungewohnt war. Übrigens ist es in China normal, dass man im Restaurant kostenlos heißes Wasser serviert bekommt.

Essensmärchen

Unser Essensalltag in China ähnelte dem in Deutschland. Ab und an musste ich beim Kochen wohl manche Zutat kreativ ergänzen oder austauschen, aber in den westlichen Supermärkten findet man das Wichtigste an Zutaten. Seitdem sind mir sehr viele internationale Produkte vertraut, da es in den internationalen Supermärkten eine Auswahl an Lieblingsprodukten aus der ganzen Welt gibt, vor allem sehr viele amerikanische Produkte.

Selbstverständlich stand auf unserem Speiseplan zuhause auch immer wieder chinesisches Essen. Allein deshalb, weil unsere Ayi (Hausmädchen) häufig kochte und wir natürlich hier in China in den Genuss der örtlichen Speisen kommen wollten. Bevor sie das erste Mal Chinesisch für uns kochte, berieten ich mich mit ihr, was auf dem Speiseplan stehen sollte. Alle chinesischen Speisen die ich aus Deutschland kannte und mochte, zählte ich auf und erntete jedes Mal ein Wǒ bù zhīdào! – Kenne ich nicht!“, von ihr. Frustriert ging mir auf, dass das was ich als chinesisches Essen kannte, weitgehend alles andere als typisch Chinesisch war. Die chinesische Küche unterscheidet sich nicht unwesentlich, von dem was wir aus dem China-Restaurant kennen, z.B. das Gericht Chop Suey gibt es in China überhaupt nicht!

Chop Suey heißt übersetzt so viel wie „Kleingeschnittenes“ und wurde vermutlich von chinesischen Auswanderern in Kalifornien erfunden. Fast so viele Zutaten wie das Chop Suey hat, gibt es Theorien über dessen Herkunft. Die Populärste besagt, dass das Gericht von einem chinesischen Koch in Amerika erfunden wurde. Auf Wunsch eines Diplomaten sollte er eine Diätspeise zubereiten. Er hat anscheinend verschiedenen Zutaten klein gehackt und zusammen im Wok zubereitet.

Eine weitere Theorie führt auch nach Amerika. In San Francisco soll ein Gast nach Geschäftsschluss ein Essen bestellt haben. Der Koch hat daraufhin alle Reste des Tages zusammen in den Wok geworfen und zubereitet und erfand so das Chop Suey. Es gibt noch viele weitere Thesen. Auf jeden Fall kennt man inzwischen Chop Suey in vielen Ländern als chinesisches Gericht – außer in China!

Frisches Gemüse vom Markt

Wir kamen noch weiteren Essensmärchen auf die Spur. Zurück in Deutschland brachte eine Mitschülerin der Großen einen Glückskeks mit in die Schule und verkündete stolz: „Guck, ich habe dir was Chinesisches mitgebracht.“

Die Große wiederum fragte erstaunt: „Was ist denn das?“

Geschockt schaute die Mitschülerin die Große an. „Das ist ein Glückskeks! Aber das musst du doch kennen, du warst doch vier Jahre in China!“

Als die Große aus der Schule nachhause kam, beschwerte sie sich: „Mama, warum durften wir in China nie Glückskekse haben?“

Diese Frage war einfach zu beantworten. Weil es in China keine Glückskekse gibt! Gut inzwischen sind Glückskekse in China auch ab und an zu bekommen. Aber ich habe während unserer gesamten Zeit keinen zu Gesicht bekommen.

Glückskekse stammen ursprünglich aus Japan. So wie wir den Glückskeks heute kennen, wurde er in Kalifornien im frühen 20. Jahrhundert von asiatischen Einwanderern eingeführt. Der bekanntesten Theorie zufolge, hat ein japanischer Einwanderer seinen Gästen im Teehaus im Golden Gate Park – fortune tea cookies – zum Tee serviert.

Warum dachte man dann, dass es eine chinesische Tradition ist? Anfang des 20. Jahrhunderts begannen viele japanische Einwanderer amerikanisierte chinesische Küche zu servieren und verteilten nach dem Essen diese Glückskekse. Hinzu kommt – die Chinesen waren ja schon immer geschäftstüchtig – viele chinesische Restaurants begannen schon bald die Glückskekse zu verteilen und somit wurde der Glückskeks immer bekannter und den Chinesen zugeordnet.

Die bei uns äußerst beliebte Pekingsuppe – in China „Suānlàtāng – Sauer-Scharf-Suppe“ genannt – habe ich in Peking nie mit vergleichbarer Konsistenz und Geschmack auf den Tisch bekommen wie in Deutschland. Entweder war ich immer in den falschen Restaurants oder ist das, was wir hier als Pekingsuppe serviert bekommen, auch eine westliche Variante!?

Für uns Westler sind die Traditionen aus Asien manchmal schwer zu trennen. So musste auch ich erst lernen, dass man sich in China nicht verneigt sondern, dass dies eben nur in Japan und in einigen anderen asiatischen Ländern Brauch ist.

„Miiauuuu!!!“ 

Nachdem ich mit unserer Ayi kein chinesisches Gericht fand das wir beide kannten, machte ich eine Planänderung und sagte ihr, dass sie sich ein Gericht überlegen soll das sie gerne mag, wir würden dann gemeinsam die Zutaten kaufen gehen. Wir machten uns zusammen auf den Weg zu einem typisch chinesischen Supermarkt, um die Zutaten, und alle nötigen Utensilien die man zum richtigen chinesischen Kochen braucht, zu besorgen. Staunend lief ich durch die Gänge, in denen es die wunderlichsten Dinge gab.

Während ich mit offenem Mund durch die Regale ging, packte die Ayi verschiedenste Fläschchen, Päckchen und Döschen in den Einkaufskorb. Sie kaufte auch noch ein großes Holzbrett, eine Art Wellholz nur dünner und ohne Griffe an der Seite, und ein Riesenmesser das eher einem Hackebeil ähnelte. Die chinesische Hausfrau braucht nicht hundert Varianten von Messern, sie schnippelt und hackt alles bis auf die feinsten und kleinsten Größen mit diesem merkwürdigen Hackebeil. Inzwischen koche auch ich liebend gerne damit, da es in der Handhabung erstaunlich flexibel ist. Zum Abschluss meinte die Ayi, einige Zutaten hätte sie nicht bekommen, die würde sie morgen noch mitbringen von ihrem Markt vor Ort.

Unsere Große beim Jiaozi machen. Wie man sieht wird auch hier mit dem chinesischen Nudelholz und dem traditionellen Messer gearbeitet
Fehlt in keinem chinesischem Haushalt, inzwischen auch nicht mehr in meinem. Mit diesem Messer wird einfach alles bis aufs Feinste geschnippelt

Am nächsten Tag war es endlich soweit. Leider konnte ich ihr beim Kochen nicht zuschauen da ich etwas zu erledigen hatte. So war die Spannung jedoch umso größer. Erwartungsvoll setzten die Mädels und ich uns an den Tisch. Unsere Ayi war ganz aufgeregt, strahlend stellte sie einen Topf auf den Tisch. Sie öffnete stolz den Deckel, als würde sie uns einen Goldschatz präsentieren. Nachdem was ich erkennen konnte, handelte es sich um eine Art Suppe. Sie schöpfte jedem ein Schüsselchen voll. Die Kleine fragte: „Was ist das?“ Ich erklärte ihr, dass die Ayi uns heute typisch chinesisches Essen gekocht hat. Ich griff nach dem Löffel, während die Mädels noch misstrauisch in die Schüsseln guckten. Sie rührten in ihren Schüsselchen und dieses Mal fragte die Große: „Was ist da drin?“

„Das weiß ich nicht, aber lass es uns einfach probieren.“, ermutigte ich sie.

Die Ayi sprach zwar kein Deutsch, aber hatte wohl verstanden was die Große fragte. In dem Moment als ich den Löffel in den Mund schieben wollte, lachte die Ayi, zog an ihrem Ohrläppchen und machte: „Miaauuu!!!“. 

Fassungslos starrte ich sie an und ließ langsam meinen Löffel sinken. Jetzt guckte ich doch nochmals genauer in das Schüsselchen. Tatsächlich! In der Brühe schwammen kleine weiße gebogene Öhrchen. Hell-weißliche platte Öhrchen! Oh Gott!!! Ich schluckte. Ich nahm all meinen Mut und Anstand zusammen und versuchte möglichst ruhig und freundlich zu fragen: Zhè shì shénme“ – „Was ist das?“

Die Ayi strahlte und zupfte noch mehr an ihrem Ohr und machte wieder ein lang gezogenes „Miiauuuu“ und nickte aufmunternd, dass ich es probieren soll.

Mir wurde glühend heiß. Was sollte ich nur tun!? Die Ayi war so stolz und glücklich uns ihr erstes chinesisches Gericht zu präsentieren. Aber wenn das drin war was ich vermutete, so konnte ich definitiv dieses Gericht nicht essen! Doch wenn ich das Gericht nicht aß, so würde unsere Ayi vermutlich für alle Zeiten ihr Gesicht verlieren. Wie das endete wollte ich mir gar nicht vorstellen. Wenn sich jedoch das was ich in den Schüsselchen erahnte, bewahrheitete … Die Ayi nickte mir aufmunternd zu. Verzweifelt guckte ich zu den Mädels … Die beiden blickten mich ebenso wie die Ayi erwartungsvoll an. Ich „musste“ mit gutem Beispiel vorangehen.

Ich rührte weiter in meiner Schüssel unfähig eine Entscheidung zu treffen und während ich rührte, guckte ich auf die Öhrchen die darin schwammen. Umso länger ich auf die Öhrchen starrte – es waren mindestens 20 davon in meiner Schüssel – desto unwahrscheinlicher fand ich es, dass es sich tatsächlich um wirkliche Katzenöhrchen handeln konnte. 20 Öhrchen mal 4 Schüsseln, plus dem großen Topf indem noch Unzählige schwammen, so viele Katzen würden selbst Chinesen nicht töten. Oder? Wenn ich die Ayi nicht komplett blamieren und mit ziemlicher Sicherheit verlieren wollte, musste ich die Suppe jetzt essen.

Mutig nahm ich den Löffel und schob die Suppe, samt zwei Öhrchen in den Mund. Meine Zunge tastete über die Öhrchen. Meine Geschmacksnerven begannen das was sich auf meiner Zunge auflöste einzuordnen. Katzenöhrchen hätten mit Sicherheit nicht solch eine Konsistenz, oder … !? Mein Geschmackszentrum im Hirn arbeitete auf Hochtouren. Der Geschmack und die Konsistenz der Öhrchen kamen mir irgendwie bekannt vor. Ich wusste es! Meine Zunge tastete aber sicherheitshalber nochmals über die Plättchen. Doch, ich war mir ganz sicher. Es war Teig! Gottlob, es handelte sich tatsächlich nicht um Katzenöhrchen, sondern um kleine flache Teigplättchen!

Später gestand ich der Ayi, dass ich gedacht hatte, es wären Öhrchen von einer wirklichen Katze. Sie fuchtelte abwehrend mit den Händen und rief entsetzt: Méiyǒu māo! No cat!“ und musste kurz darauf aber so lachen, dass ihr die Tränen übers Gesicht liefen.“

Im Süden Chinas, in der Kantonesischen Küche wird durchaus Katze verspeist, wenn auch äußerst selten, da ganz viele Chinesen aus ethischen Gründen selbst keine Katze essen wollen und zudem ist es auch äußerst teuer. Das was wir gegessen hatten, hieß tatsächlich „Katzenohren – Māo ěrduǒ“. Dabei handelt es sich um ein traditionelles chinesisches Nudelgericht. Die platten Teigplättchen sind wie Katzenöhrchen geformt, vergleichbar mit den italienischen „Orecchiette – Öhrchenudeln.“ Die chinesischen Katzenöhrchen werden entweder in der Suppe gegessen oder auch frittiert.

Unsere Ayi beim Kochen, aber dieses Mal gibt es keine Öhrchensuppe sondern Jiaozi

Neue Sitten

Doch während unseres ersten chinesischen Essens mit der Ayi sollten wir auch noch mehr lernen außer, dass die Katzenohrsuppe, nicht aus echten Katzenohren besteht. Kaum hatten wir endlich alle begonnen die Öhrchensuppe zu essen, wurde das Essen wieder unterbrochen. Die Mädchen starrten irritieret auf die Ayi. Sie hatte nämlich ausgiebig zu schlürfen begonnen. Ich wusste von diesem chinesischen Brauch, so versuchte ich, ohne das Schlürfen zu beachten, einfach weiter zu essen. Allerdings vergaßen die Mädels, aufgrund des Schlürfens, komplett das Essen. Sie starrten die Ayi fassungslos an. Die Ayi wurde aufgrund der Beobachtung schon etwas nervös, schlürfte aber genussvoll und mindestens so lautstark weiter. Nachdem die Mädels immer noch nicht ihr Essen aufnahmen und die Kleine dann irgendwann ganz echauffiert sagte: „Mama, die Ayi schlürft ganz schlimm! Das dürfen wir doch nicht am Tisch!!!“

Nun legte selbst die Ayi den Löffel weg, da sie ihren Namen gehört hatte und ihr klar war, dass sie irgendetwas machte, das die Mädels komplett vom Essen ablenkt. Sie blickte irritiert in die Runde und fragte: „Shénmen?“, was so viel wie „Was ist?“, heißt. Sie musste ganz fürchterlich lachen, als ich ihr sagte, dass den Mädels schlürfen am Tisch verboten ist und dass Schürfen in Deutschland eher nicht üblich ist. Den Mädels wiederum erklärte ich, dass Schlürfen in China absolut normal ist.

Die Ayi versuchte weniger zu schlürfen. Ich kam mir aber sofort sehr schäbig vor. Ich hatte es zwar nicht verlangt, aber sie hatte sofort versucht sich uns anzupassen. Wir waren in ihrem Land und sie sollte sich unsere Sitten anpassen? Während ich meinen Gedanken nachhing, hatten die Mädels inzwischen angefangen, ganz ordentlich zu schlürfen und es war ein großes Gekicher am Tisch.

Das Schlürfen bringt ja durchaus einige Vorteile mit sich. Wie von den Weinkennern bekannt, entfaltet sich das Aroma des Geschlürften ganz anders auf der Zunge und man kann zudem die heiße Suppe essen ohne sich zu verbrennen. Spontan kam mir eine Idee. Ich schlug vor, dass ab jetzt in China am Tisch geschlurft werden durfte, in Deutschland würden wir uns an die dort herrschenden Anstandsregeln halten. Die Kinder waren sofort einverstanden und die Ayi schien erleichtert, auch wenn sie es so nicht sagte. Ab da wurde bei uns in China am Tisch fröhlich und mit vollem Genuss geschlürft.

Und so geht es weiter …

Es gab für uns noch viel mehr rund ums chinesische Essen zu entdecken. Beim nächsten Mal gibt es mehr über das chinesische Frühstück, die chinesische Esskultur und über skurrile Essensfunde, wie Skorpione am Spieß …

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