Taxifahren ist ja nun wirklich nichts Besonderes – außer in Peking. Was man braucht um ans Ziel zu kommen …

Die Unterkunft ist gesichert, die Möbel bestellt, als Nächstes stand nun der Kindergarten an. Dank unseres „Look and See-Trips“ hatten wir bereits eine Auswahl getroffen. Zur Eingewöhnung wollte ich die Kinder einige Tage begleiten. Da wir in der ersten Woche noch kein Auto zur Verfügung hatten, galt es für uns mit dem Taxi dorthin zu fahren.


Survival-Kit für’s Taxi

Taxi fahren ist ja nun wirklich nichts Besonderes – außer in Peking. Überall auf der Welt kam ich bis dahin immer mit einigen Brocken Englisch, einem freundlichen Lächeln und im Notfall, mit meinem pantomimischem Körpereinsatz durch. Nicht, dass die Chinesen meine pantomimischen Fähigkeiten nicht zu schätzen wussten, sie wurden immer mit viel Interesse und freundlichem Nicken angenommen, aber dabei blieb es dann auch. Mir war von Insidern bereits angekündigt worden, dass ich hier etwas besser ausgerüstet losziehen sollte. War man dem Chinesischen nicht mächtig, so sollte die restliche Ausstattung entsprechen besser sein. So war ich auf die heutige Taxifahrt bestens vorbereitet und griff auf das empfohlene SURVIVAL-KIT zurück: 1. – eine in chinesischen Schriftzeichen geschriebene VISITENKARTE vom Zielort, 2. – ein HANDY und 3. – GUTE NERVEN.

VERKEHRSALLTAG IN PEKING

Wir Deutschen stehen dem Thema Sicherheit ja eher etwas konservativer gegenüber und als Mutter ergänzt man die gängigen Sicherheitsvorgaben meist noch um einige klitzekleine Punkte. So fand ich mich bei unserer ersten Taxifahrt, panisch die Rückbank abtastend, wieder. Gründlich, als wäre ich an einem Tatort auf der Suche nach dem Beweisstück, gruben und tasteten meine Finger in jede Ritze und kleinste Spalte, ungläubig dass nirgends ein Gurt zu finden war. Was ich dort alles ertastete, mag ich lieber nicht wiedergeben, doch ganz definitiv gab es keine Anschnallmöglichkeit. Relativ schnell ergab ich mich, aufgrund fehlender Alternative, unserem gurtlosen Schicksal und nahm Tool 1 aus dem SURVIVAL-KIT – das ADRESSKÄRTCHEN.

Der Taxifahrer studierte es einige Zeit interessiert und ausgiebig, als wäre es der Stadtplan von Peking. Man muss wissen, dass Taxifahrer in China sehr häufig vom Land kommen und keinerlei Taxi-Prüfung mit Ortskenntnissen ablegen müssen. Daran erinnerte ich mich leider, währenddessen er auf das Kärtchen starrte. In dem Moment als ich nach der Türklinke griff, kam von vorne ein raues „hǎo de“ (was so viel wie „O.K.“ heißt) begleitet von einem heftigen Nicken und schon gab er Vollgas.

MIT VOLLGAS INS NIRVANA

Mit Vollgas ins Nirvana

Die Türen klapperten beachtlich, er raste, mit allem was das etwas in die Jahre gekommene Taxi hergab, über die Stadtautobahn. Links und rechts von mir saßen die Mädels fest eingequetscht in meinen mütterlichen Klammergriff. Obwohl sie vermutlich knapp vor dem Erstickungstod waren, wehrten sie sich in keiner Weise und bewegten sich – äußert untypisch für sie – keinen Millimeter. Das Anschnallen im Kindersitz ging bei den Mädels normalerweise nur mit Kampf und Krampf vor sich, vermutlich sehnten sie sich jedoch in diesem Moment, nach dessen geborgenen Sicherheit zurück.

Wenn ich mir nicht gerade vorstellte wie die Kids links und rechts aus dem Auto geschleudert wurden, hatte ich – zumindest für kurze Momente – das beruhigende Gefühl, dass wenigstens die Richtung stimmte. Wir waren Richtung Flughafen unterwegs und ich wusste in dieser Richtung lag der Kindergarten. Kurz vor dem Flughafen verließen wir die Autobahn, auch das war ein gutes Zeichen, da es zu der Beschreibung passte. Ab diesem Moment schienen wir uns allerdings im Vorstadt-Nirvana zu verlieren. Wir fuhren und fuhren … lange, seeehr lange und irgendwann nicht nur sehr lang, sondern auch immer wieder im Kreis.

TAXIS IN PEKING

Nach einer Mehrfachfahrt im Kreisel und aufgrund des für diese Situation definitiv unpassend entspannten Gesichtsausdruck Taxifahrers, beschloss ich nochmals auf meine altbewährten Mittel zurückzugreifen. Mit einer Mischung aus Englisch und Deutsch, und mit kreisendem Finger, versuchte ich ihm zu vermitteln, dass wir im Kreis fuhren. Er lächelte freundlich, nickte und fuhr noch weitere Male im Kreis. Irgendwann schien selbst ihm aufzugehen, dass etwas nicht stimmte. Er hielt mit einer spontanen Vollbremsung an und brüllte einen Fußgänger, der die Straße entlangging, lautstark an. Der andere brüllte genauso zurück. So ging es einige Minuten hin und her. In dem Moment als die Situation eindeutig auf eine Eskalation hindeutete, nickten beide kurz, unser Taxifahrer gab wieder Vollgas und der Fußgänger ging ungerührt weiter. Statt einem heftigen Streit, hatten sich die beiden wohl nur über den Weg ausgetauscht!? So ganz sicher war ich mir allerdings nicht. Wobei es letztendlich egal war, da es am Ergebnis nichts änderte, denn wir fuhren weitere 3 Mal im Kreis.

Unruhe kroch durch jede Zelle meines Körpers und ich spürte dies würde schon bald in einer Panikattacke resultieren. Als Mutter musste man in kritischen Situationen immer der menschliche und emotionale Rettungsanker sein. Da die Zeichen auf Sturm standen und meine Emotionen kurz vor dem Kentern waren, war jetzt definitiv die Zeit den Anker zu werfen und auf Tool II aus dem SURVIVAL-KIT zurückzugreifen – das HANDY!

Ich rief die Leiterin des Kindergartens an und schilderte die Situation. Sie instruierte mich mit chinesischen Grundbegriffen, damit ich den Taxifahrer zum Anhalten bringen, und sie mit ihm persönlich sprechen konnte. So rief ich immer wieder: „TING!“, „TING!“ – was bedeutet STOPP, ANHALTEN! Und tatsächlich, irgendwann fuhr er rechts ran und ich konnte ihm das Handy überreichen. Ziemlich lange ging es hin und her, er nickte immer wieder. Eine ausführliche Wegbeschreibung brauchte ja seine Zeit. Irgendwann gab er das Handy an mich zurück. Die Erzieherin am anderen Ende lachte und sagte zu mir: „Weißt du was er gerade zu mir gesagt hat? Er hat mich gefragt: WO BIN ICH?!!!“

SCHNELL RAUS AUS DEM TAXI

Mir war so gar nicht zum Lachen zumute. Da gab’s nur noch eins, aussteigen, bezahlen und ein neues Taxi suchen. Der neue Taxifahrer warf einen kurzen Blick aufs Visitenkärtchen, gab Gas und schließlich waren wir schlussendlich, nach einer anderthalbstündigen Irrfahrt durch Peking endlich am Ziel und mussten zudem feststellen, dass unser Ziel nur zwei Minuten von unserer Kreiselrunde entfernt gewesen war. Auf TOOL III aus dem SURVIVAL-KIT – GUTE NERVEN, konnte ich an diesem Tag – da noch nicht vorhanden – leider nicht zurückgreifen. Aber die täglichen Taxifahrten zum Kindergarten wurde zum Trainingscamp für schwache Nerven. Viele Taxifahrten und 1–2 Jahre später, las ich sogar in einem Buch solange die Kinder über den Rücksitz turnten.

Und so geht es weiter …

Service ist wirklich etwas Fantastisches. Außer man bekommt mehr Service als bestellt. Wie es uns die ersten Wochen in unserem „Service-Appartement“ erging und von meinem ersten Lehrstück zu interkulturellen Unterschieden

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2 thoughts on “LIVING IN CHINA – Taxifahren in Peking

  1. Dany

    ….wieder super geschrieben … hatte selber sehr viel Glück, aber Micha ist einmal nach über 3 Stunden wieder nach Hause gekommen, nachdem der Taxifahrer das Ziel nicht gefunden hat.

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    1. Wanderfalke Post author

      Danke liebe Dany! Oh man, 3 Stunden!!! Das toppt uns definitiv, da hatten’s wir ja noch richtig gut. Unsere anderen Taxifahrten liefen „Gott sei Dank“ meist reibungslos ab, mit diversen kleinen Ausnahmen. Ein nettes Taxierlebnis hatten wir allerdings noch, davon berichte ich bei Gelegenheit.

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