Wenn der Führerschein schlagartig seine Gültigkeit verliert, man wieder zum Schüler und Prüfling wird und all dies nach chinesischen Regeln …

In China einen Fahrer zu haben hat wirklich viele Vorteile. Besonders wenn man nur ein Auto hat, mit dem der Mann zur Arbeit, die Kinder in den Kindergarten und ich zu diversen Erledigungen kommen sollte. Zudem ist Peking wirklich riesig und es ist äußerst hilfreich jemanden hinter dem Steuer zu haben, der zumindest ansatzweise eine Idee hat wohin er fährt und außerdem noch der chinesischen Sprache mächtig ist. Verständlicherweise steht so ein Fahrer nicht Tag und Nacht und meistens auch nicht am Wochenende zur Verfügung. Was für uns generell kein Problem gewesen wäre, da mein Mann sowie ich, im Besitz eines Führerscheins sind. Dieser brachte uns in China bedauerlicherweise recht wenig, da der deutsche Führerschein hier keine Gültigkeit hat. Was letztendlich bedeutete, immer wenn unser Fahrer frei hatte, mussten wir entweder zuhause bleiben oder Taxi fahren. So blieb uns nur eine Option – schleunigst den chinesischen Führerschein zu machen. Um den chinesischen Führerschein zu erhalten, muss man nur eine theoretische Prüfung ablegen. Dieses kleine nur hatte, wie manch anderes in China, so seine Tücken.

Alles klar? – Oder nicht, oder doch!?

Den chinesischen Führerschein zu machen war aus verschiedensten Gründen eine Herausforderung der anderen Art. Unsere letzte Prüfung lag Jahrzehnte zurück. Was zumindest mich in Panik versetzte, da meine Nerven so gar nicht mehr prüfungsstabil waren. Der Fragenkatalog umfasste 1300 Fragen. Bei der Prüfung mussten von 100 Fragen, im Multiplechoiceverfahren mind. 90 % richtig beantwortet werden. Wahnsinn!!! 1300 Fragen lernen!!! Das war knackig, doch die wirklichen Hürden waren ganz andere.

Wir konnten wählen zwischen der englischen oder deutschen Übersetzung. „Klar in Deutsch!“, war unser erster Gedanke. Das war eben gar nicht so klar. In der deutschen Übersetzung waren die Sätze teilweise so verschachtelt übersetzt, dass man fast kryptische Fähigkeiten besitzen musste, um den Inhalt zu verstehen. Die besten Chancen um den Text zu verstehen hatte man, wenn man alle grammatikalischen Grundsätze ausblendete und sich – zumindest zeitweise – vom logischen Denken verabschiedete. Die englischen Unterlagen waren wesentlich besser übersetzt, aber auch nicht immer unbedingt eindeutig. Nachdem mein Englisch zu diesem Zeitpunkt gut, aber definitiv nicht chinglisch-fähig war, entschied ich mich für den deutschen Fragenkatalog.

 

ALLES GANZ EINFACH … ODER … !?!

 

Eigentlich doch alles ganz einfach!?!

Versteht man die Fragen, sind die Antworten nicht selten weniger verwirrend, da sie mit der uns eigenen Logik nicht unbedingt immer kompatibel sind. Zum Beispiel in der Art … fasst ein Fahrradfahrer mein Fahrzeug an, so sollte ich auf Empfehlung der Straßenverkehrsordnung, mein Kraftfahrzeug beschleunigen, um den Radfahrer abzuwerfen … oder … wer Fahrzeuge betrunken fährt, bekommt zwölf Punkte, aber nur sechs Punkte, wer Alkohol getrunken hat und noch Fahrzeuge fährt … oder … der Transport leicht explosiver Materialien und radioaktiver Stoffe durch Fahrpraktikanten wird mit drei Punkten bestraft, die nicht fristgerechte Bezahlung eines Bußgeldes dagegen mit zwölf Punkten … !!??!

Wir lernten auf jeden Fall sehr viel Nützliches für den Verkehrsalltag, wie z.B. … dass wir uns bei einem Streit geduldig rechtfertigen sollten und … kurz anhalten und unseren Körper gelenkig machen sollten zur Überwindung unserer Schläfrigkeit … sowie auch Interessantes aus dem medizinischen Bereich … hat ein Verletzter eine Verletzung von Bauch, bei der Dünndarm vorgefallen ist, lege ich den Dünndarm nicht in den Bauch zurück, sondern decke die Wunde mit Schüssel oder Büsche zu und verbinde sie mit Tuch …

 

Verkehrsalltag in Peking

 

Flashback in die Teeniezeit

Ich war der Verzweiflung nahe und sicher, dass ich mir die Regeln im Leben nicht merken könnte. Der Fragenkatalog wurde mit der Wohnzimmerschublade immer vertrauter. Nebeneffekt dieser Situation war, dass ich mich in die Zeit jenseits der achtzehn zurückversetzt fühlte. Was im ersten Moment sehr verlockend klingt – zumindest wenn man dies auf das jugendliche Aussehen und die Fitness übertragen könnte – war alles andere als prickelnd. Was aus dieser Zeit in Überschallgeschwindigkeit herbeamte, war ein Gefühl von Abhängigkeit, Unmündigkeit und fehlender Freiheit, denn jederzeit einfach ins Auto zu sitzen und selbständig dorthin zu fahren, wo man gerade Lust hat, gab es jetzt nicht mehr. Was besonders bitter war, wenn diese Art von Freiheit seit fast 20 Jahren absolut selbstverständlich ist.

 

 

Ich will meine Freiheit zurück!

Irgendwann reichte es mir. Ich wollte meine Freiheit zurück und somit war der Grunddruck ausreichend, dass ich mich für einen Termin anmeldete und mich hinter den Fragenkatalog klemmte. Als der Prüfungstag da war, saß ich mit anderen Prüflingen erst einmal in einer Art Wartezimmer um auf die zeitlich genau festgelegte Prüfung zu warten. Mit im Wartebereich saßen Chinesen jeden Alters und Geschlechts und einige eindeutig zu identifizierende Expats (Expatriate = ins Ausland entsandte Fachkraft). Bei den Expats handelte es sich ausschließlich um Männer in meinem Alter oder etwas älter. Alle in Businessanzügen – Typ Manager – der üblicherweise absolut straight und sehr taff auftritt. Äußerlich gaben sie sich wie immer cool und selbstbewusst, doch beobachtete man sie eine Weile, konnte man sehr Manager-untypische-Verhaltensweisen beobachten. Der eine wackelte wie verrückt mit seinem linken Fuß, der andere nagte in unbemerkten Momenten an den Nägeln und einer zog immer wieder den Fragenkatalog aus der Aktentasche und blätterte nervös darin herum. Zu meiner Freude stellte ich fest, dass nicht nur ich prüfungsinstabil geworden war. Diese selbstbewussten gestandenen Männer waren mindestens so nervös wie ich. Das hatte eine ungemein beruhigende Wirkung auf mich.

Nicht nochmals alles von vorne

Und schon gingen die Türen des Prüfungsraumes auf. Die vorangehenden Prüflinge verließen mit einer Vielfalt an Gesichtsausdrücken den Raum – was ich am Prüfungsergebnis festmachte. Kaum waren sie draußen, fluteten wir frischen Prüflinge hinein. Der Andrang bestärkte mich in dem Gefühl, dass wohl alle den dringenden Wunsch hatten die Prüfung recht schnell hinter sich zu bringen, denn Plätze gab es ausreichend. Der Prüfungsraum war aufgebaut wie eine Art Klassenzimmer, nur stand auf jedem Tisch ein Computer. Ich suchte mir ziemlich weit hinten einen Platz und wartete, bis es losging. Noch einige Instruktionen von der Prüfungsaufsicht, unter anderem, dass das Prüfungsergebnis am Schluss sofort zu sehen ist und schon ging es los. Zügig arbeitete ich mich durch die Fragen und versuchte nicht zu viel zu überlegen und ließ mich von meiner inzwischen erworbenen chinesischen Intuition leiten. Relativ schnell war ich fertig, zögerte kurz um dem Wunsch die Fragen nochmals durchzugehen zu widerstehen. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich im Nachgang immer mein Verstand einschaltete und ich die Fragen dann grundsätzlich falsch beantwortete. So unterdrückte ich meinen Korrekturimpuls, drückte schnell auf den Endbutton und wartete auf das Ergebnis. Gespannt starrte ich auf den Bildschirm, was er mir als Ergebnis liefern würde. Ich war geschockt! Vor mir sah ich ein Smiley mit weit aufgerissenem Mund.

Er heulte! Ich war komplett erstarrt und knapp davor es ihm nachzutun. „HEUL!“ Nicht nochmals büffeln, nicht nochmals diesen Druck und die Anspannung. NICHT NOCHMALS ALLES VON VORNE! Entsetzt starrte ich auf das schreiende Smiley. Aber halt, das Ergebnis lag eindeutig über 90 Prozent. Ich betrachtete das Smiley nochmals aufmerksam. Es heulte gar nicht! Es riss vor Freude den Mund auf und lachte!!! Ich muss gestehen, mit animierten Smileys war ich zur diesem Zeitpunkt nicht sehr vertraut und schon gar nicht mit der chinesischen Variante.

Ich lehnte mich erschöpft im meinem Stuhl zurück und versuchte von meiner schockresultierenden Schnappatmung zurück zur Normalatmung zu kommen. Nach einiger Zeit war ich fähig die Aufmerksamkeit von mir, wieder aufs Außen zu lenken und schaute neugierig, was die anderen Prüflinge inzwischen machten. Bis auf einen jungen Chinesen saßen alle anderen hoch konzentriert vor den Bildschirmen. Die Gesichtsfarben changierten zwischen fahlblass, hektisch gefleckt und tiefrot, und manchem Prüfling standen feine Tröpfchen auf der Stirn. Ich guckte mich nach den Managern um, die immer noch über ihren Fragen brüteten. Ich war tatsächlich vor ihnen fertig – zudem mit Erfolg. In diesem Moment jubelte mein in den letzten Jahren arg-gebeuteltes-Hausfraugen-Ego. Euphorie durchflutete mich und gab mir das Gefühl alles schaffen zu können. Ich war jetzt definitiv soweit Chinesisch zu lernen.

 

Endlich selber fahren!

 

Und so geht es weiter …

Mein nächstes Projekt steht an – Chinesisch lernen! Was die Wunderwelt der chinesischen Sprache so alles für mich bereit hält …

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36 thoughts on “LIVING IN CHINA – Führerschein chinesischer Art

  1. b.weber-lewerenz

    Schnappatmung und heulender smiley waren bei mir gleich.

    Liebe silke,
    Ich lieg beim lesen wirklich unterm gartenstuhl.joern lacht mit bei den sequenzen, die ich vorlese. ….es ist wiedermal ein herrliches abtauchen in unser gemeinsames chinaerlebnis !! Ganz lieben dank fuers teilen und die von dir verursachten lachfaeltchen!!

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  2. Uli

    Liebe Silke,

    ich habe eben Tränen gelacht, vor allem als ich mir vorstellte, wie du verzweifelt vor dem „heulenden“ Simley gesessen hast.
    Vielen Dank für die „Tränen“
    Uli

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